NL Terborg: Archäologen legen ein großes mittelalterliches Siedlungsareal frei

Im Jahr 2010 wurde durch den Archeodienst Gelderland eine Stadtkerngrabung in Terborg, einem Ort in den östlichen Niederlanden, nahe der niederländisch-/deutschen Grenze, durchgeführt. Die anfänglichen Ergebnisse der archäologischen Untersuchung waren geradezu spektakulär.

Im ostniederländischen Sandgebiet kommt es praktisch nicht vor, dass in den Stadt- und Dorfkernen noch Reste der ersten hölzernen Bauphase erhalten sind. Organisches Material ist in aller Regel vergangen, da es oberhalb des Grundwasserspiegels im Erdreich lagerte. Im Gegensatz zu vielen anderen Orten liegt Terborg nicht auf einem Sandrücken, sondern auf einem torfigem Untergrund. In diesem Milieu sind organische Materialien, wie hölzerne Fundamentierungen oder auch Dielenböden und aufgehendes Mauerwerk aus mehreren Jahrhundert und aus allen Bauphasen gut erhalten geblieben. Im 15. Jahrhundert brannten die Gebäude im untersuchten Areal nieder. Anschließend brachte man dort eine etwa 1m starke Sandschüttung auf. Diese Sandschüttung bewahrte die Reste der frühen Holzbauten vor Beschädigungen durch spätere bauliche Eingriffe. Außerdem befanden sich die Reste dieser Bauphase nun im Grundwasserbereich, also unter vergleichsweise guten Erhaltungsbedingungen.

Das Zusammenwirken beider Faktoren führte heute zu der einzigartigen Möglichkeit, das Baugeschehen im Siedlungskern auf mehreren nebeneinander gelegenen Parzellen nahezu ohne Unterbrechungen, von den frühesten Anfängen im 13. Jahrhundert bis heute, umfassend zu untersuchen! Darüber hinaus liefern die Holzfunde eine große Menge an Informationen unter anderem über Bauphasen-und methoden, über  Herkunft und Transportwege. Ein vergleichbares Forschungsprojekt wurde bislang weder in den östlichen Niederlanden noch im niederländisch-deutschen Grenzgebiet durchgeführt. Es besitzt neben der Bedeutung für die Geschichte Terborgs auch einen Modellcharakter für künftige archäologische Untersuchungen in dieser Region.

Im Rahmen einer Dissertation an der Westfälischen Wilhelms-Universtität Münster werden am Dendrolabor der Preßler GmbH umfangreiche jahrringanalytische Untersuchungen an den geborgenen Holzfunden durchgeführt. Diese dienen dem Aufbau feinchronologischer Strukturen für die Erarbeitung der am Ort angetroffenen Bauphasen. Auf der Grundlage von weit über 1.000 geborgenen Hölzern können differenzierte Aussagen zur Konstruktionsweise der Gebäude und nicht zuletzt zur Herkunft des hölzernen Baumaterials getroffen werden. Letztere ermöglichen Aussagen zu den wirtschaftlichen Verflechtungen, regionalen und überregionalen Handelsbeziehungen Terborgs in einer frühen Phase der Besiedlung. Durch einen weit gefassten interdisziplinären und internationalen Forschungsansatz bietet das Projekt die seltene Chance, die Wohn- und Lebensumstände über mehrere Jahrhunderte in Terborg umfänglich zu rekonstruieren.

Text und Foto: W.S. van de Graaf, Übersetzung: Sebastian Luke