Scheunen und Kirchenburgen in Siebenbürgen - mittelalterliche Zimmerungstechniken geben Rätsel auf
Rumänien ist seit einigen Jahren Mitglied der EU und damit näher an die Mitte Europas herangerückt. Darum wundert es nicht, dass über das alte deutsche Siedlungsgebiet Siebenbürgen häufiger als früher in der Öffentlichkeit berichtet wird. Schmerzlich wird dabei vermerkt, wie schön und ursprünglich die lang gezogenen Dörfer auf den Besucher wirken, in denen immer weniger Menschen wohnen, darunter vor allem immer weniger Siebenbürger Sachsen.
Die ursprünglichen Höfe bestehen aus schmalen Parzellen. Zur Straße das Wohnhaus. Daneben das zum Hof gehörende Einfahrtstor. Am Ende des Hofes, quer zur schmalen Parzelle, verfügen fast alle Höfe über eine Scheune. Häufig haben die Scheunen eine Länge, die die ganze Breite des Grundstückes einnehmen. Der Typus der Scheunen lässt sich relativ einfach als Querdurchfahrtsscheunen beschreiben, eine Bauform, die auch in Niederdeutschland häufig anzutreffen ist. > mehr
In der Regel besteht die Konstruktion aus Eichenholz in ausschließlich gebeilter Ausführung. Eine Scheune mit mittlerer Durchfahrt, links und rechts jeweils ein Bansenraum, setzt sich aus 4 Gebinden, bzw. 8 Ständern zusammen. Die Ständer sind sowohl mit den Balken, als auch mit den firstparallel verlaufenden Rähmen durch Kopfbänder verbunden und generell geblattet, unabhängig davon, wie alt die Scheune ist und wann sie errichtet wurde. Die 8 Ständer stehen nicht auf Schwellen, sondern frei auf Steinen. Jedes Dorf verfügt heute noch über eine größere Anzahl dieser Gebäude. In ganz Siebenbürgen werden es wohl mehrere hundert sein. Bei einer ersten Untersuchung im Frühjahr 2011 konnten 12 Scheunen aufgemessen und für eine dendrochronologische Untersuchung beprobt werden. Die meisten Bauten muten mittelalterlich an, sind aber viel jünger, was auch die Jahrringanalyse bestätigt. Diese Tatsache wirft mehrere Fragen auf: Woher kommt die Bauweise? Gibt es irgendwo in Europa ein vergleichbares Phänomen und wieso konnte diese Bauweise bis in die 1950er Jahre überleben?
Teilweise finden sich die Antworten schon in zwei Büchern: F.F. Fronius, Bilder aus dem sächsischen Bauernleben in Siebenbürgen (1883) und A.Schullerus, Siebenbürgisch-sächsische Volkskunde im Umriss (1926). Zwar behandelt das im Jahr 2000 erschienene Werk Mémoire des Carparpathes von Jean Cuisenier (2008 als deutsche Ausgabe Das Gedächtnis der Karpaten im Jonas Verlag erschienen) hauptsächlich das Gebiet der Maramures, Oltenien und der Bukowina und spart Siebenbürgen weitestgehend aus, aber grundlegende Antworten auf die Fragen lassen sich auch hier bereits finden. Im Frühjahr 2012 fand eine weitere Exkursion statt. Sechs Hausforscher befassten sich mit diesem Phänomen. Die Reise vom 29. Mai bis 14. Juni wurde in einem Blog aufgezeichnet und beschreibt den täglichen Reiseverlauf, die Entdeckungen und Untersuchungen vor Ort. Weitere Gebäude konnten teilweise aufgemessen, dendrobeprobt und in allen Einzelheiten fotografiert werden.
Die schwierige Situation fehlender Referenzkurven konnte mit Hilfe eines Sägewerks in Agnita (rezente Eichen) überbrückt werden. Insgesamt liegen derzeit über 250 Proben mit zum Teil über 200 Jahrringen vor, die es ermöglichen, eine lückenlose Regionalkurve vom 15. Jahrhundert bis heute aufzubauen und alle Gebäude einer Altersbestimmung zu unterziehen. Die Daten lassen dann Aussagen zu Raumstrukturen, Gefüge und Zimmerungstechniken und zur chronologischen Entwicklung der Bauweise in Siebenbürgen über einen Zeitraum von rund 500 Jahren zu. Einzelergebnisse der Datierungen werden im Blog zur Reise, wie auch auf dieser Seite zugänglich gemacht und ausführlich im Band Rumänien in der Buchreihe "Hausforscher unterwegs" behandelt. Das Erscheinen des Buches ist Ende 2012 vorgesehen.
Text und Fotos: Heinz Riepshoff, Erhard Preßler